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Was will die AfD?

Was die AfD politisch erreichen will, hat sie in ihrem Grundsatzprogramm (GP) aus dem Jahr 2016 und ihrem Wahlprogramm (WP) für die Bundestagswahl 2021 festgehalten. Beide Programme haben wir für euch analysiert, Kapitel für Kapitel.

Demokratie und Rechtsstaat

Die AfD redet mit klassischen populistischen Verallgemeinerungen von der “Allmacht der Parteien”, die das System beherrschen (WP S.16). Sie behauptet, die Parteien gefährden mit der “Ausbeutung des Staates” unsere Demokratie. Die Zielrichtung der AfD ist klar: “Wir vertrauen nicht mehr darauf, dass Regierungen und Parlamente zu Währungskrisen, Migration, Islamisierung oder zur Energiewende tragfähige Lösungen finden.” (WP S.14)

In der AfD-Sprechweise gibt es “Altparteien”, die “das Volk” nicht mehr vertreten würden. Mehr Bürgerbeteiligung, Volksabstimmungen nach Schweizer Modell und Begrenzung des Lobbyismus sind diskutable Vorschläge. Aber geht es der AfD wirklich glaubwürdig um mehr Demokratie und eine Verbesserung mit konkreten Vorschlägen? Manches klingt zunächst demokratisch, soll in rechtspopulistischen Händen aber dazu dienen, unser parlamentarisches System zu umgehen. Populist*innen haben nur ein Ziel: Andersdenkende zu Gegnern zu machen, sich selbst als Befreier und Reformer darzustellen, politische Themen auf gefährliche Weise zu vereinfachen und damit Menschen zu emotionalisieren (siehe in Großbritannien die Brexit-Kampagne).

Unter diesem von der AfD beschworenen “Volkssouverän” hätten später all diejenigen zu leiden, die nicht Teil davon sind, sein dürfen oder sein wollen. Für die AfD sind Volksabstimmungen lediglich ein willkommenes Werkzeug, um eigene Machtansprüche durchzusetzen.

Keine Abgrenzung zu antidemokratischen Bewegungen

Das Wahlprogramm enthält keine abgrenzenden Aussagen zu den rechtsextremen Tendenzen der “Reichsbürger” und “Selbstverwalter”, die die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie der bestehenden Rechtsordnung fundamental bestreiten. Das ist so gewollt; ein glaubwürdiges Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie würde anders aussehen. „Der Flügel“ um Herrn Höcke innerhalb der AfD wurde am 12. März 2020 vom Bundesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung eingestuft; aber - und das ist der Punkt - trotz der danach erfolgten Auflösung bestimmen die Mitglieder weiter die Programmatik.

Und zur Freude aller Reichsbürger*innen “setzt sich die AfD auch gegen die Schmähung des Deutschen Kaiserreiches ein” (WP S. 160).

Stimmungsmache statt Sicherheit

Die AfD will uns glauben machen, dass die innere Sicherheit in Deutschland immer mehr abnehme und „Ausländer“ die wichtigste Ursache dafür seien (GP 3) und dass es “um unsere Sicherheit schlecht bestellt ist” (WP S.76).

Die Aussagen der AfD stimmen - nur umgekehrt: In Deutschland ist die Zahl der Menschen mit gewaltbereiten rechtsextremistischen Einstellungen im vergangenen Jahr erneut angestiegen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für 2020 hervor. Davon steht kein Wort in dem AfD Wahlprogramm. Stattdessen wird weiter die vorgebliche “Ausländerkriminalität” propagiert (WP S. 77). Pauschale Aussagen sind - wie üblich - falsch: Zuwanderer*innen begehen nicht mehr oder weniger Straftaten als Einheimische. Der Begriff der “Ausländerkriminalität” (WP S.77) ist eine bewusste Diffamierung. Wer sich ein differenziertes Bild zu dem Thema “Migration und Kriminalität” verschaffen will, findet eine detaillierte Analyse bei der Bundeszentrale für politische Bildung.

Es gibt rechts- und linksextrem motivierte Straftaten, jeweils leider mit steigender gewaltbereiter Tendenz. Die AfD will nur “Linke Gewalt und Ausländerkriminalität bekämpfen” (WP S. 76).

Schreckgespenst „Masseneinwanderung“

Die AfD malt das Schreckgespenst einer “Destabilisierung Deutschlands und anderer europäischer Länder” an die Wand und will das “Asylparadies Deutschland schließen” (WP S.91/93).

Um diese Forderungen umzusetzen, will die AfD Unterkünfte mit „ortsüblicher Grundversorgung“ in „sicheren“ Ländern nahe der Krisenregionen errichten (GP 9.1) Schutzorganisationen werden als “Asyl-Industrie” diskreditiert (WP S.94). Viele der Forderungen der AfD (“Ausweitung der sicheren Herkunftsländer”, “Abschiebeoffensive” und “ausnahmslose Abschiebung von Gefährdern”) sind weder mit den Menschenrechten noch mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar. Es ist herzlos, Fluchterfahrungen auf ökonomischen Nutzen oder vermeintlichen Schaden zu reduzieren. Es ist rechtspopulistische Stimmungsmache, das Schreckgespenst der “Massenimmigration” (WP S. 97) zu beschwören: Dieses Thema ist viel komplexer, gleichzeitig, aber auch weit weniger gesellschaftsrelevant und bedrohlich als Rechtspopulist*innen uns glauben machen wollen. Hilfestellung, Integration und auch die Einforderung der Beachtung von Regeln ist eine rechtsstaatliche Aufgabe. Die Antwort der AfD ist die immer wiederkehrend falsche Behauptung einer “Massenzuwanderung mit überproportionalen Zuwandererkriminalität, Terroranschlägen und islamischem Terrorismus” (WP S. 91). Wer immer wieder das Recht auf Asyl mit Kriminalität vermengt, handelt bösartig.

Islam als Feindbild

Nur die AfD macht die Religion des Islam zum Thema. “Der Islam” gehört laut AfD nicht zu Deutschland. Dabei gibt sich die Partei zunächst moderat: “Muslime, die sich integrieren und uns unsere Grundordnung und Grundrechte anerkennen, sind geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft.” (WP S.84).

Aber: Das Minarett oder den Muezzin-Ruf sind in einem toleranten Nebeneinander, wie es die christlichen Kirchen praktizieren, nicht vereinbar.” (WP S.86). Auch fordert sie „ein allgemeines Verbot des Tragens der Burka in der Öffentlichkeit“ und des Kopftuchtragens im öffentlichen Dienst (WP S.86). Nicht zuletzt lehnt die AfD es ab, „islamischen Organisationen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen“ (WP S.85).

Es offenbart sich ein grundlegender Widerspruch: “Parallelgesellschaften mit Friedensrichtern” will niemand und das ist auch nicht das Thema. Die Religion des Islam ist nicht mit einzelnen radikalen Formen gleichzusetzen. Wenn die AfD tatsächlich die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit anerkennen würde, könnte sie nicht gleichzeitig die grundlegenden religiösen Praktiken des Islams verbieten lassen wollen. Denn dafür haben wir bereits Gesetze und die gelten für alle Religionen. Sich nur gegen eine Religion zu wenden, ist klar religionsfeindlich.

Steuerpolitik auf Kosten der einfachen Bürger*innen

Die AfD setzt in ihrer Finanz- und Steuerpolitik auf marktradikale Forderungen. Ihr Ziel ist ein „schlanker Staat“ ohne gesellschaftliche Verantwortung (GP 1.2).

Sie fordert einen dreistufigen Einkommenssteuertarif. Dieser sieht zwar einen etwas höheren Freibetrag vor, bedeutet aber gleichzeitig, dass alle Menschen die gleichen Steuern zahlen sollen, egal ob sie 20 001 oder 1 000 000 Euro pro Jahr verdienen (GP 11.1).

Mit der Begründung; “es gebe keinen akzeptablen Grund aus Trauerfällen Steuerfälle zu machen (WP S.36) fordert die AfD die Abschaffung der Erbschaftsteuer und ist gegen jede Form der Vermögensteuer (WP S. 35). Mit anderen Worten: Die AfD will Steuern abschaffen, die bisher vor allem reiche Menschen zahlen. Ohne korrektive Maßnahmen verstärkt sich das soziale Gefälle. Die Reichen werden reicher und das ist offensichtlich das Ziel der AfD.

Damit widerspricht sie ihrer eigenen Aussage, auf der Seite der "einfachen" Bürger*innen zu stehen. Gerecht ist das in keinem Fall.

Ungezügelte Deregulierung und Widersprüche in der Wirtschaftspolitik

Die AfD ist ursprünglich eine neo-liberale Partei. Für sie gilt: “Je mehr Wettbewerb und je geringer die Staatsquote, desto besser für alle” (GP 10.1). Die AfD will deshalb „auf breiter Front de-regulieren” (GP 10.5). Inzwischen setzt sich die AfD jedoch auch für den gesetzlichen Mindestlohn (WP S. 119), eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I (WP S.120) und die Aufstockung der Rente durch einen höheren Steuerzuschuss (WP S. 126) ein. Beide Ansätze - die Reichen entlasten und die Sozialleistungen erhöhen - sind aber weder politisch noch ideologisch unter einen Hut zu bringen - und erst recht nicht praktisch umsetzbar. Wie die AfD das dann doch machen will? Ganz einfach “durch konsequente Streichung von ideologischen Politikmaßnahmen, beispielsweise in der Migrations-; Klima und EU-Politik.” (WP S.126).

Un-soziale Politik gegen die Schwächsten

Die AfD möchte die sozialen Sicherungssysteme “reformieren“ (GP 5.4). Sie beabsichtigt, staatliche Unterstützung aufzulösen und die damit verbundene Verantwortung auf Familien zu übertragen. So müsse individuelle häusliche Pflege “zu einem Hauptbestandteil der sozialen Sicherungssysteme werden” (GP 5.4.4).

Doch eine solche “Reform” birgt zahlreiche Risiken und versteckte Kosten: Denn weder sind alle Menschen in ein familiäres Umfeld eingebunden. Noch verfügen alle Familien über die Mittel, sich diese Unterstützung zu leisten. Die “Reform” der AfD würde daher effektiv bedeuten, dass soziale Sicherungsmechanismen wegfallen und aus eigener Tasche bezahlt werden müssten.

Mit ihren Vorschlägen würde die AfD daher ein Zweiklassensystem schaffen, das Beschäftigte gegeneinander ausspielt, und zwar auf Kosten der Schwächsten. So will die AfD auch bestehende Sozial- und Arbeitslosenhilfe in eine „aktivierende Grundsicherung“ umwandeln (GP 5.4.2). Zwar soll dabei das Arbeitslosengeld I verlängert werden (WP S. 120). Aber nicht erwerbstätigen Menschen stünde dabei nur noch ein Mindestbetrag zu, der sehr viel geringer als die aktuelle Unterstützung ausfallen würde. Die sozialpolitischen Forderungen der AfD hätten daher wohl noch einschneidendere Konsequenzen als die umstrittene Agenda 2010.

Vertrauen nur für „gesunde“ und „deutschstämmige“ Menschen

Für die AfD sind “deutsche Bürger” vorrangig “deutschstämmige” Menschen (GP 6.2). Nur für sie soll der “liberale Rechtsstaat” gelten. Dieser soll “seinen Bürgern” vertrauen, deren “Handlungsfreiheit” bewahren und “freiheitsbeschränkende Eingriffe minimieren” (GP 3.5). Deshalb soll auch das Recht auf Waffenbesitz für “gesetzestreue Bürger“ garantiert werden (WP 4.7)

Die AfD wendet sich gegen die 2015 beschlossenen EU-Feuerwaffenrichtlinie, denn “damit kommt es zu einer weiteren Verschärfung des Waffenrechts. Betroffen von der Verschärfung des ohnehin schon restriktiven Waffenrechts sind vor allem Sportschützen, Jäger und Waffensammler (WP S. 81)

Im Umkehrschluss bedeutet das folgendes:
Für die AfD sind jene Menschen nicht “deutsch”, die in Deutschland geboren und ausschließlich hier aufgewachsen sind, aber kein deutsches Elternteil haben. Wenn es nach der AfD geht, hätten diese Menschen keinen Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit. Denn die AfD möchte das Abstammungsprinzip wieder anwenden (WP S. 101). Das bedeutet, dass biologische Gegebenheiten über die Zugehörigkeit zu Deutschland entscheiden sollen - Rassismus in Reinform.

Das Wohlergehen nicht-deutscher Menschen ist der AfD daher auch nur dann ein Anliegen, wenn es im “deutschen Interesse” ist und “unkontrollierte[n] Wanderungsbewegungen Richtung Europa entgegen[wirkt]” (GP 4.1). Auch will die AfD das “Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre” absenken (WP S.78) und nicht-therapierbare “alkohol- und drogenabhängige sowie psychisch kranke Täter [...] in der Sicherungsverwahrung” unterbringen (GP 3.4). Eine solche Politik verletzt nicht nur den Grundsatz der Menschenwürde, sondern ist auch nachweisbar ineffektiv. Keine dieser Maßnahmen würde die innere Sicherheit in Deutschland tatsächlich erhöhen.

Rassistische Familienpolitik

Die AfD äußert sich besorgt über die demografische Entwicklung in Deutschland, da „die Geburtenrate unter Migranten mit mehr als 1,8 Kindern deutlich höher als unter deutschstämmigen Frauen” liegt (GP 6.2). Dies verstärke „den

ethnisch-kulturellen Wandel der Bevölkerungsstruktur” (GP 6.2).

Der Gedanke einer “vorrangigen Selbstverwirklichung habe zur Zurückstellung oder Verdrängung von Kinderwünschen geführt” (WP S.105). Der Geburtenrückgang in den europäischen Ländern ist ein allgemeines Phänomen. Die AfD behauptet: “Von linksgrüner Seite jedoch wird die Institution Familie aus ideologischer Motivation heraus diskreditiert, um sie durch andere Leitbilder zu ersetzen” (WP S. 104).

Angst vor Gleichberechtigung

Die AfD bekennt sich zur “traditionellen Familie als Leitbild” (GP 6.1). Dieses Leitbild “der Familie als Keimzelle der Gesellschaft, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern” (WP S. 104) sei in Gefahr. Frauen sollen als Hausfrauen wieder mehr geschätzt werden (GP 6.3). Denn angeblich “leugnet die Gender-Ideologie die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau und diskreditiert die Institution Familie aus ideologischer Motivation” (WP S. 105).

Konsequenterweise wird die „Geschlechterquote“ abgelehnt (WP S.23) und “Gleichstellungsbeauftragte sind abzuschaffen“ (WP S.154).

Dieses AfD Leitbild der “traditionellen Familie” kommt aus der Vergangenheit und schließt andere Lebensentwürfe aktiv aus. Diese AfD-Aussagen und -Forderungen sind problematisch, falsch und irreführend: Weder gibt es überhaupt eine „Gender-Ideologie“, noch geht es bei der Bemühung um Gleichberechtigung von Männern und Frauen darum, die klassische Familie abzuschaffen. Im Schulunterricht findet auch keine “Frühsexualisierung” (WP S.114) statt.

Rechtsextreme Kultur, Sprache und Identität

“Unser aller Identität” sei laut AfD “vorrangig kulturell determiniert“ (GP 7). Die Partei bekennt sich deshalb “zur deutschen Leitkultur” (GP 7.2) und meint, dass “Kulturrelativismus und Multikulturalismus einem Neben- und Gegeneinander von Parallelgesellschaften führen” (WP 158). Wer und was genau “deutsch” ist, was “zur deutschen Leitkultur” gehört und das kulturelle Gesicht Deutschlands sein soll, bleibt dabei jedoch offen. Das muss es auch, denn ansonsten verstricken sich Rechtspopulist*innen gleich in Widersprüche.

An einer ausgewogenen Geschichts- und Gesellschaftspolitik, die die über viele Jahre gewachsenen Verbindungen zwischen Kulturen anerkennt und unterstützt, ist der AfD nichts gelegen. Stattdessen orientiert sie sich umso deutlicher an der ausgrenzenden Rhetorik und den fremdenfeindlichen Inhalten rechtsextremer Ideologien von “Volk”, “Nation” und “Identität”.

Klimawandel als Erfindung und Naturschutz als Nebensache

Die AfD behauptet, der Klimawandel existiere nicht und CO2 sei gut für die Umwelt: “Das Spurengas CO2 ist als Voraussetzung für alles Leben unverzichtbar. Der Anstieg der Konzentration von CO2 in der Atmosphäre hat in den letzten Jahrzehnten zu einem Ergrünen der Erde beigetragen.” (WP S. 174). Energiegewinnung aus nachhaltigen Quellen lehnt sie daher als unnötig ab.

Zum Natur- und Umweltschutz drückt sich die AfD ansonsten vage aus. Der “unkontrollierte Ausbau der Windenergie” soll gestoppt werden, weil er “mehr Schaden als Nutzen” bringe (GP 13.2). Das ist eine typisch rechtspopulistische Forderung, denn ein solcher Zubau ist in der Bundesrepublik bereits streng reguliert.

Die AfD lehnt den „Green Deal“ der EU sowie “jegliche weitere Formen von Planwirtschaft ab” und will das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ersatzlos streichen (WP S. 176).

Statt also in erneuerbare Energien zu investieren, will die AfD weiter auf Kern-, Gas- und Kohlekraftwerke setzen (WP S.178).

Im Bereich der Fischerei wird gefordert, “deutsche Fischer" von “Wettbewerbsnachteilen” zu befreien. So soll die Bindung der Fangmenge an den Kutter beseitigt und die Stellnetzfischerei erlaubt werden (GP 13.7). Allerdings würde so das Risiko von Überfischung massiv erhöht.

Dies kann als Beispiel für die Haltung der AfD gegenüber Umweltfragen gelten: Eine scheinbar umweltfreundliche Rhetorik propagiert schwerwiegende umweltgefährdende Maßnahmen.