Letter 447577 1280
14.02.2025

Radikal höfliche Briefe zur Bundestagswahl

Manchmal kommen Gespräche an ihre Grenzen. Aber dann ist vielleicht ein Brief eine gute Möglichkeit mit Freund*innen und Familie im Gespräch zu bleiben.

Deine Mutter unterstützt die AfD? Und deine Freundin plädiert fürs Abschieben? Du hast gefühlt schon tausend Mal mit ihnen diskutiert und du weißt nicht mehr weiter?

Auch wenn wir als Kleiner Fünf unser Hauptziel in der Stärkung der demokratischen Debattenkultur sehen, müssen wir doch einsehen, dass Gespräche in manchen Fällen nicht mehr zielführend sind. Manchmal sind die Gesprächsfronten so verhärtet, dass eine kleine Diskussion bereits im Streit endet oder Menschen sich darauf einigen, politische Themen auszuklammern oder unbewusst vermeiden.

Das kann zunächst einmal natürlich an den unterschiedlichen Meinungen und Sichtweisen auf die Welt und den Umgang mit politischen Themen liegen. Es kann aber auch ein Hinweis darauf sein, dass in der Vergangenheit Grenzen überschritten wurden und im Miteinander Verletzungen entstanden sind, die nachhallen. Wer hier den Kontakt verliert, verliert möglicherweise auch die Beziehung. Denn Verletzungen bleiben, wenn sie nicht gemeinsam aufgearbeitet werden, oft lange bestehen und können zum Rückzug einer oder beider Seiten führen. Durch gesellschaftliche Debatten können sich solche Gräben zwischen verschiedenen Positionen unbemerkt weiter verschärfen.

Wenn kein Dialog mehr im direkten Gespräch möglich ist, müssen wir Wege finden, wie wir trotzdem mit unseren Freund*innen und Angehörigen im Kontakt bleiben können. Auch wenn wir nicht ihrer Meinung sind, ist es wichtig, die Beziehung zu ihnen aufrecht zu erhalten. Denn sie sind uns ja immer noch wichtig. Zumal es zu einer pluralen Demokratie und einer gelebten Debattenkultur gehört, auch unliebsame Ansichten auszuhalten und im Gespräch für eine bessere Zukunft für uns alle zu kämpfen. Wenn ein Gespräch also nicht mehr möglich ist:

Wie wäre es dann mit einem Brief?

Hier ein paar Gründe, weshalb wir es für eine gute Idee halten, einen Brief zu schreiben:
Ein Brief ist etwas sehr persönliches und zeigt der Person, dass sie einem wichtig ist. Gerade wenn man sich nicht mehr viel zu sagen hat, verringern sich auch die gemeinsamen schönen Erlebnisse. Mit einem Brief kann an die gute Beziehung angeknüpft werden und sie sogar gestärkt werden.

Ein Brief ist wohlüberlegt. Im direkten Gespräch geraten wir schnell in einen Schlagabtausch, unter dem dann manchmal unser respektvolles Miteinander leidet. In einem Brief hingegen kann die eigene Position ganz genau formuliert werden. So kommt es zu keinen Nebenschauplätzen und man hat die Möglichkeit, sich auf die für sich wichtigsten Punkte zu konzentrieren. Durch die Entschleunigung können Argumente und Sorgen, die im Brief geteilt werden, von der Person besser angenommen und überdacht werden. Ein Tipp: Der Brief sollte nur nicht zu lang werden! Je kompakter der Brief inhaltlich formuliert ist, desto größer ist die Resonanz beim Gegenüber.

Der für uns wohl am überzeugendste Grund für einen Brief ist aber die Wertschätzung, die er der anderen Person gegenüber ausdrückt. In unserer schnelllebigen und durch die sozialen Medien geprägten Zeit kommen echte Beziehungen sowieso oft zu kurz. Durch einen handgeschriebenen Brief zeigst du der Person auf ungewöhnliche Weise, wie viel dir an ihr liegt. Gerade in Momenten, in denen wir das Gefühl haben, uns zu entzweien, halten wir es für eine gute Idee, in einem Brief die gemeinsam erlebte Zeit zu würdigen und so die Chance auf eine gute Beziehung zu steigern.

Überzeugt? Dann haben wir hier eine Liste für dich zusammengestellt, mit Dingen, die für einen Brief gebraucht werden:

Du brauchst:

  • Ein Blatt Papier

  • Einen Stift

  • Einen Briefumschlag

  • Ausreichend Porto

  • Einen ruhigen Ort

  • Ausreichend Zeit

  • Gute Stimmung, um deine Gedanken zu ordnen und deinen Brief radikal höflich zu verfassen


Bevor du loslegst..

  • Überlege dir im Vorfeld: an wen möchtest du diesen Brief schreiben? Was möchtest du erreichen? Konkretisiere dein Ziel.

  • Überlege dir dann: was möchtest du der Person genau mitteilen? Versuche, deinen Brief kurz zu halten. Zu viel Text wirkt schnell unübersichtlich und überfordernd. Wir empfehlen ca. eine Seite.

  • Du weiß nicht, was du schreiben sollst, oder der Kontakt zu der Person belastet dich? Dann schnapp dir eine*n Freund*in! Gemeinsam macht das Schreiben mehr Spaß. So könnt ihr euch gegenseitig Tipps geben und euch euer Ergebnis vorlesen.


Hilfreiche Anhaltspunkte zur Orientierung können die folgenden Fragen sein:

  • Begegnung: Wann seid ihr euch das letzte Mal begegnet? Wie lief die Begegnung ab?

  • Situation: Beschreibe eure aktuelle Diskussion oder eine Situation, die dich beschäftigt.

  • Beziehung: Beschreibe deine Beziehung zu der Person. Reflektiere hierzu: Wer ist die Person? Wie nah steht sie dir? Was verbindet euch? Was hat sich in eurer Beziehung verändert?

  • Sorgen: Beschreibe, weshalb dir die aktuelle politische Situation Sorgen bereitet. Auch deine daraus folgenden Ängste kannst du beschreiben.

  • Verhalten: Beschreibe, welches Verhalten du bei der Person dir gegenüber beobachtet hast.

  • Gefühle: Was löst dieses Verhalten bei dir aus? Welche Gedanken? Welche Gefühle?

  • Wichtig: Bleibe bei dir. Formuliere Ich-Botschaften.

  • Wünsche: Beschreibe im letzten Teil, wie du dir euren Umgang miteinander wünschst. zB: “Mir fehlt der Austausch mit dir. Ich wünsche mir, dass wir wieder zueinander finden.”

  • Vision: Komme wieder zurück zum Jetzt: Schreibe eine einladende gemeinsame Perspektive, das signalisiert Offenheit und Zugewandtheit, z.B.: “Ich weiß, unsere Ansichten könnten aktuell kaum unterschiedlicher sein. Ich möchte dir aber sagen, dass du mir trotz unserer Differenzen wichtig bist. Vielleicht kommt ja irgendwann wieder eine Zeit, in der wir wieder besser miteinander sprechen können. Meine Tür ist jedenfalls immer offen für dich”.

  • Verabschiedung: Verabschiede dich mit verbindenden Worten und so, als würdet ihr euch bald wieder sehen.

Jetzt noch schnell zur Post bringen und warten, was passiert.

Du bist dir noch unsicher und benötigst mehr Unterstützung? Dann schau dir auch unsere radikal höflichen Briefvorlagen an. Du findest sie hier.

Du hast Feedback oder möchtest mit uns deine Geschichte teilen, dann schreib uns gerne eine Mail an: kontakt@kleinerfuenf.de