Ein Rückblick nach vorne
Die AfD ist in den Bundestag eingezogen. "Kleiner Fünf" haben wir also nicht geschafft. Aber "Unser Ziel" ist viel größer: Was wir im vergangenen Jahr alles gelernt und angestoßen haben, berichten drei Kleiner FünferInnen im Gespräch. Das Beste daran: Wir machen weiter!
K5:
Paulina, Sarah, Johannes, ihr habt die vergangenen Monate über die Initiative Kleiner Fünf koordiniert. Paulina war für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, Sarah für die Kampagnenplanung und Johannes für die inhaltliche Arbeit. Ein Jahr Kleiner Fünf, ein Jahr harte Arbeit: Wie geht es euch heute?
Johannes:
Ich bin erschöpft und zugleich beeindruckt. Die vergangenen Wochen und Monate waren sehr anstrengend. Aber ich bin auch beeindruckt davon, was wir alles aufgebaut und angestoßen haben.
Kleiner Fünf ist zu “Unserem Ziel: Kleiner Fünf” gewachsen: Gemeinsam setzen wir uns gegen Rechtspopulismus ein. Dafür sind viele Menschen dazugekommen, die mit ihren Ideen, ihrer Zeit, ihren Kontakten mithelfen.
Paulina:
Ich fühle mich, als hätte ich in einem Jahr einen Erfahrungswert von normalerweise fünf bis sieben Jahren auf einmal bekommen. Ich würde gerne “erschöpft” sagen, aber das impliziert gegebenenfalls, dass fertig geschöpft wurde und man am Grund angekommen sei. Dem ist nicht so. Ich bin motiviert und ermutigt, dankbar und etwas wund. Der Blick auf K5 “früher” und heute fasziniert mich immer wieder.
Sarah:
Ich bin unglaublich stolz. Stolz auf das, was wir in einem Jahr auf die Beine gestellt haben. Auf all das, was wir dazu gelernt haben, auf die tollen Menschen, die ich kennengelernt habe, auf die offenen Arme, die uns empfangen haben und uns mit Unterstützung in jeglicher Form immer wieder aufs Neue motiviert haben weiterzumachen.
K5:
Wenn ihr auf eure Arbeit zurückblickt, was geht euch da durch den Kopf?
Paulina:
Ganz schön abgegangen das Ganze. Wir hatten den wahnwitzigen Anspruch eine Lücke zu schließen, eine Lücke im gesellschafts-politischen Umgang mit Rechtspopulismus in der Politik (online wie offline) - das haben wir tatsächlich in einem Jahr geschafft. Kaum zu fassen.
Sarah:
Unglaublich. In den letzten Wochen vor der Bundestagswahl hat sich all das, woran wir so intensiv und mit vollster Überzeugung gearbeitet und gefeilt haben, auf den letzten Metern endlich zusammengefügt.
K5:
Am Ende haben sich über 100 Menschen ehrenamtlich bei K5 engagiert. Das entspricht der Mannschaftsstärke eines Mittelstandsunternehmens - mit dem Unterschied, dass das Team über ganz Deutschland verteilt ist und sich die Leute teilweise nie persönlich getroffen haben. Wie habt ihr das hinbekommen?
Johannes:
Wir haben sehr viel lernen, diskutieren und uns gemeinsam erarbeiten müssen - bis heute. Es hat lange gedauert, bis wir genau wussten, was wir machen wollen, wie wir das am besten erreichen können und mit wem. Am Anfang waren wir deshalb auch sehr vorsichtig und haben uns viel mit der Kritik an unserem Vorhaben beschäftigt. Das hat uns einerseits vielleicht etwas langsamer gemacht …
Paulina:
… andererseits denke ich, dass wir gut daran getan haben, ganz langsam zu beginnen. Es fühlte sich zwar tagtäglich alles andere als langsam an, jedoch haben wir Monate darauf verwendet, zu lesen, diskutieren und zu formulieren: Wer sind wir? Was wollen wir? Was bieten wir an? Wie kommunizieren wir? Und so weiter.
Johannes:
Es hat geholfen, herauszuarbeiten, was uns besonders wichtig ist: Nämlich dass wir gemeinsam gegen Rechtspopulismus und für demokratische Teilhabe arbeiten. Weil dabei so viele Menschen wie möglich mitmachen sollen, gibt es natürlich auch viele unterschiedliche Ideen und Ansätze. Für den Verlauf der Initiative war und ist es deshalb eine große Herausforderung, einerseits offen und inklusiv, andererseits inhaltlich konkret zu sein. Ideen und Ansätze dafür zu entwickeln, wie diese beiden Erwartungen am besten zu vereinbaren sind, ist für mich ein sehr wertvoller Beitrag von “Unser Ziel: Kleiner Fünf”.
Sarah:
Mich hat dabei fasziniert, wie aus dem Chaos plötzlich etwas Greifbares entsteht. Inhalte ergänzen Designs, Storylines, die wir erarbeitet haben, machen auf einmal Sinn, die Vernetzungsarbeit der letzten Monate zeigt ihre Wirkung und wieder einmal ist es einfach wunderbar so eine große Unterstützung zu erleben. Und plötzlich stehe ich auf und eines unserer Formate hängt als Großflächenplakat in Frankfurt am Main. Das ist fantastisch.
Paulina:
Alles Weitere hätte nicht geklappt ohne die vielen tolle Leute, die zu uns gekommen sind oder gespendet haben.
Sarah:
In der Tat. Für unsere Ideen und Vorstellungen braucht es finanzielle Mittel. Zum einen, um Dinge zu produzieren, aber zum anderen auch, um Menschen zu bezahlen, diese Materialien zu produzieren oder die Produktion zu koordinieren. Oft müssen Kompromisse gemacht werden und “der Sache wegen” wird weiter unentgeltlich produziert.
Das ist auf der einen Seite wunderbar, dass so viele Menschen sich ehrenamtlich engagieren. Auf der anderen Seite führt es auch dazu, dass sich nicht alle einbringen können. Das fand ich wirklich schwierig. Immer wieder die Diskrepanz zu ertragen zwischen dem, was uns als Ziel oder Utopie vorschwebt, und dem, wie unser Arbeitsalltag, unsere Gruppenzusammensetzung und unsere finanziellen Möglichkeiten aussehen.
Johannes:
Das Paradoxe ist: Das liebe Geld macht unsere Arbeit nicht automatisch einfacher.
Einerseits brauchen wir Geld, um die Erwartungen an unsere Arbeit zu erfüllen (unsere Formate zu produzieren, Veranstaltungen zu organisieren, Homepage zu finanzieren, ...).
Andererseits ist Geld knapp. Das bedeutet nicht nur, dass wir hauptsächlich in Ehrenamt und unentgeltlich arbeiten. Das können oder wollen sich jedoch nicht alle leisten, weshalb Ehrenamt auch viele Leute ausschließt, die nicht so viel Geld haben.
Es bedeutet auch, dass wir Teil des Betriebes werden, um Geld einzutreiben. Dabei geben wir jedoch auch etwas von unserer Autonomie ab. Ich finde es daher sehr schwierig, die Mittel für “Unser Ziel: Kleiner Fünf” zu erwerben und gleichzeitig selbstbestimmt zu bleiben.
Sarah:
Die inhaltliche Konkretisierung ist für die Kommunikation unglaublich wichtig. Die Zeit bis zur Bundestagswahl ist so schnell vergangen und Kleiner Fünf lebt von den engagierten Ehrenamtlichen, die alle ihr Leben haben, studieren, arbeiten, im Urlaub sind oder so. Immer wieder müssen Pläne umgestellt werden und Alternativen gefunden werden. Manchmal heißt es auch aus Zeit- und Ressourcenmangel: “Kill your Darlings!”
K5:
Gibt es irgendwas, bei dem ihr sagen würdet, DAS ist das Schwierigste von allem gewesen?
Paulina:
Ui, das kann ich kaum sagen. Da war so unglaublich viel Schweres: Die Bewältigung der Arbeit, die sich jeden einzelnen Tag und jede Nacht türmte. Die wertschätzende, aber unmissverständliche Kommunikation mit ganz unterschiedlichen Charakteren über Handy, Politcamp, Slack, Skype und E-Mail über Kilometer hinweg. Die Person zu bleiben, die motiviert, anspornt, Energie hat und positiv denkt. Die vielen Stunden, in denen Sarah, Johannes und ich Haare raufend versucht haben Veranstaltungen zu retten. Die unzähligen Bahnfahrten - ich glaube ich saß genau so viel im Zug wie nicht. Immer wieder missverstanden zu werden. Ich habe millionenfach Kleiner Fünf vorgestellt und weiß - würde ich behaupten - wirklich, was ich sagen muss, um es einfach klar zu machen. Aber nein, immer wieder gibts Leute, die angestrengt die Augen zukneifen und sagen: “Also wollt ihr die 5% Hürde abschaffen?” oder “Also seid ihr einfach nur dagegen?” AHHH.
Johannes:
Manchmal ist es wirklich schwierig, ruhig zu bleiben. Wir glauben an radikale Höflichkeit - erfahren auf unseren Facebook-Seiten aber oft das Gegenteil. Dort werden wir regelmäßig angekackt. Das allein wäre nicht so schlimm. Wirklich traurig finde ich aber, dass uns Leute ankacken, die sich nicht einmal die Mühe machen, irgendetwas von/über uns zu lesen.
Dabei geht es leider selten um Positionen, sondern oft direkt gegen Personen. Das Problem dabei ist, dass Beleidigungen und Unterstellungen so den Platz einer inhaltlichen Auseinandersetzung einnehmen; eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung dadurch aber leider sehr schwer wird.
Sarah:
Aber insgesamt gesehen muss ich dennoch sagen, dass der positive Eindruck und die positiven Erfahrungen überwiegen. Und das gibt uns zusätzliche Kraft die letzten Tage noch einmal besonders motiviert und mit Elan anzugehen.
K5:
Das ist eine gute Idee, reden wir mal über was Positives. Was war die größte Überraschung im letzten Jahr?
Sarah:
Das es so viele Menschen gibt, die unsere Idee unterstützen und unterstützt haben, sich ehrenamtlich, politisch zu engagieren.
Paulina:
Geht mir auch so. Das sind auf jeden Fall die vielen tollen Kleiner FünferInnen, die ihren Weg irgendwie zu uns gefunden haben, mit Herzblut mitarbeiten und K5 ihr Vertrauen geschenkt haben.
Johannes:
Ja, wie viele Menschen ihre Zeit, Ideen und Geld für “Unser Ziel: Kleiner Fünf” einbringen, das ist echt unglaublich.
Sarah:
Und das wir es geschafft haben, innerhalb von einem Jahr eine Initiative zu etablieren, die bei vielen Menschen dazu geführt hat, sich wieder oder zum ersten Mal in den politischen Diskurs einzumischen.
K5:
Was hat sich insgesamt im letzten Jahr verändert?
Johannes:
Rückblickend ist es auch unglaublich, wie viel wir, auch dank der Vielzahl der Engagierten, in den letzten Monaten dazugelernt haben - nicht nur inhaltlich, sondern auch was die gemeinsame Zusammenarbeit anbelangt.
Je mehr wir gewachsen sind, umso größer sind die Erwartungen geworden. Von Anfang an wussten wir, dass “Unser Ziel: Kleiner Fünf” sehr ambitioniert ist. Aber diese positive Utopie treibt uns an. Das Schwierige dabei ist, nicht der Versuchung zu erliegen, den “Erfolg” oder “Misserfolg” unserer Arbeit kurzfristig und in Zahlen zu bemessen - so nachvollziehbar das vielleicht sein mag. Denn unser gemeinsamer Einsatz gegen Rechtspopulismus erfordert einen langen Atem und die Mitarbeit vieler unterschiedlicher Menschen. Dafür setzen wir uns ein. Und was das anbelangt, haben wir schon viel geschafft - doch was genau das bewirkt, werden wir erst in Zukunft wissen.
Zudem ist es sehr schwierig, gleichzeitig inhaltlich konkret und inklusiv zu sein. Doch genau das erfordert unsere Arbeit gegen Rechtspopulismus und für demokratische Teilhabe: Je konkreter unsere Positionen gegen Rechtspopulismus, umso größer die Reibungspunkte. Gleichzeitig erfordert der Einsatz für demokratische Teilhabe eine große Offenheit, die inhaltliche Vielfalt bedeutet.
K5:
Wenn ihr euch das alles so rückblickend anschaut, was hat sich für euch oder wie sehr habt ihr euch verändert?
Paulina:
Persönlich? So gut wie alles. Naja, das ist vielleicht zu dramatisch formuliert. Aber ich habe letztendlich durch Kleiner Fünf entschieden, mein Berufsfeld komplett zu ändern, ich wäre sogar bereit, die Stadt zu wechseln und mische mich das erste Mal mit allem was geht politisch ein - ohne Parteizugehörigkeit. Ich habe wieder einmal im letzten Jahr gelernt, wie wichtig es mir persönlich ist, meine Lebenszeit mit politisch engagierten Menschen zu verbringen - die Kleiner FünferInnen sind FreundInnen geworden. Desweiteren ist mein Verständnis davon, was Rechtspopulismus ist und wie er sich ausdrückt, natürlich schärfer geworden.
Sarah:
Ich habe gemerkt, dass es unglaublich gut tut, sich zu engagieren und im politischen Diskurs aktiv mitzumischen. Ich habe gelernt, dass es viele Menschen gibt, die bereit sind, sich für unsere Gesellschaft einzusetzen und dass wir gemeinsam etwas bewegen können. Das stimmt mich positiv und macht mich sehr froh. Ich bin gerne ein optimistischer Mensch und die Erfahrungen des letzten Jahres haben mich darin bestärkt. Es lohnt sich.
Johannes:
Ich weiß mittlerweile sehr viel besser, wie wir uns mit rechtspopulistischen Argumenten auseinandersetzen können - sachlich, konkret und radikal höflich. Das herauszuarbeiten, hat viel Zeit und Mühe gekostet. Aber es ist es definitiv wert, weil Rechtspopulismus weit in unsere Gesellschaft herein reicht - auch über die Bundestagswahl hinaus. Das erfordert eine andere Kommunikations- und Debattenkultur, in der sich Menschen ernst nehmen, auch wenn sie anderer Meinung sind. Und das beherzigen wir auch innerhalb unseres Teams, wovon ich viel gelernt habe.
K5:
Die Bundestagswahl ist gelaufen, die Abgeordneten sind gewählt, daher zum Abschluss die Frage: Wie sieht euer Blick in die Zukunft aus?
Paulina:
Wir werden nicht aufhören. Dafür ist es zu gut, zu wichtig und zu richtig.
Johannes:
Ja, sehe ich auch so: Weiter geht’s. Aber etwas ruhiger vielleicht und erst, nachdem wir uns ausführlich Gedanken über das vergangene Jahr machen.
Paulina:
Ich bleibe als Ehrenamtlerin auf jeden Fall dabei, wie lange ich noch für die Pressearbeit zuständig sein werde, wird sich zeigen.
Rechtspopulismus im Alltag muss außerdem besser erforscht und dokumentiert werden. Spielerische und analytische Formate werden noch kommen von K5.
K5:
Wir bedanken uns für das ausführliche Gespräch, wünschen euch viel Erfolg bei den gemeinsamen Plänen und hoffen, dass wir noch viel von euch hören werden.
Bedanken wollen wir uns an dieser Stelle auch bei allen anderen, die sich über die vielen Monate so intensiv engagiert haben. Wir hätten euch gerne alle mit ins Interview genommen, aber wir möchten an dieser Stelle noch Mal unsere Wertschätzung ausdrücken, für all das, was jede/r einzelne von euch in den letzten Monaten geleistet hat – ohne euch hätten wir das alles so nicht geschafft.
Wir werden sicher nicht aufhören Flagge zu zeigen - schließlich fängt die Arbeit nun erst richtig an.