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Analyse 22.04.2019

Drei gute Gründe für eine Gegenstimme

Die rechtspopulistische AfD stellt derzeit eine Person nach der nächsten für die Vizepräsidentschaft im Deutschen Bundestag zur Wahl. Bisher hat die Mehrheit der Abgeordneten jedoch alle vorgeschlagenen Kandidat*innen abgelehnt. Das ist ihr gutes Recht - und zwar aus verschiedenen Gründen.

1. KEIN RECHTSANSPRUCH - Die AfD hat keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass ein*e Viezepräsident*in gewählt wird.

Begründung: Es gibt eine “Verabredung” in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, die besagt, dass jede Fraktion im Parlament eine*n Kandidat*in für das Amt der/des Vizepräsidenten*in zur Wahl vorschlagen darf. Über jene wird nach demokratischem Mehrheitsprinzip abgestimmt. Erhält der/die Kandidat*in die absolute Mehrheit der Stimmen, wird sie oder er Vizepräsident*in für die jeweilige Fraktion. CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen und Die Linke haben bereits erfolgreich Kandidat*innen zur Wahl gestellt. Die AfD hat bisher drei Kandidat*innen vorgeschlagen, die keine Mehrheit im Bundestag erlangen konnten. Dagegen kann sie nichts tun: Einen Rechtsanspruch auf eine erfolgreiche Wahl sieht die Geschäftsordnung nämlich nicht vor.

Vertreter*innen: Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte sich kürzlich mit dieser Begründung. Er wies darauf hin, dass er sich nicht von den Drohungen der AfD (sie würden nun in jeder Sitzungswoche eine*n Kandidaten*in aufstellen lassen) imponieren lassen werde. Es gäbe keinen Rechtsanspruch auf Mehrheit. Wolfgang Kubicki (FDP) begründete seine Gegenstimme ebenso: "Ich kann es nur wiederholen: Die AfD hat ein Vorschlags-, kein Bestimmungsrecht."

2. KEINE DEMOKRAT*INNEN - Die AfD ist in Teilen rechtsextrem, deshalb steht ihr kein demokratischer Posten zu.

Begründung: Viele Abgeordnete begründen ihre Gegenstimme zudem damit, dass sie weite Teile der AfD für anti-demokratisch, rassistisch, sexistisch und somit nicht vertretbar halten. Amtsinhaber*innen dieser Partei - egal wie “moderat” sie sich geben - trügen extremistische Politiker wie Björn Höcke mit und seien daher grundsätzlich unwählbar.


Vertreter*innen: Annette Widmann-Mauz (CDU) argumentierte, dass allein die Tatsache, ein*e Amtsinhaber*in dieser rechtspopulistischen Partei zu sein, Grund genug für eine Nicht-Wahl sei: ”Der Vertreterin einer Partei, die Gräueltaten unserer Geschichte verharmlost und unsere Gesellschaft spaltet, kann ich nicht meine Stimme geben". Cem Özdemir von Bündnis90/Die Grünen argumentierte ebenso. Karl Lauterbach (SPD) erklärte, dass die Mitgliedschaft in derselben Partei mit vielen Rechtsextremen bereits aussagekräftig für die eigene Haltung sei: “Die Gesinnung lässt sich halt nicht trennen von den Menschen, mit denen ich gemeinsam Politik mache."

3. NICHT SIE/NICHT ER - Die bisherigen Kandidat*innen der AfD können aus in der Person liegenden Gründen nicht unterstützt werden.

Begründung: Recherchen über die Biographie, politische Einstellung und öffentliche Aussagen der/des jeweiligen Kandidaten*in bieten die argumentative Grundlage der Gegenstimme. Somit ist die Ablehnung stets personell, nicht grundlsätzlich oder juristisch. Zuerst stand der AfD-Abgeordnete Albrecht Glaser zur Wahl. Gegenstimmen verwiesen auf dessen fragwürdigen Äußerungen zur Religionsfreiheit von Muslim*innen. Bei der zweiten Kandidatin, Mariana Iris Harder-Kühnel, wurde eine Nähe zur rechtsextremen Parteigruppe “der Flügel” festgestellt. Der dritte Kandidat, Gerold Otten, stand bei dem sogenannten “Trauermarsch” von Pegida während der rechtsextremen Ausschreitungen im Chemnitz in der ersten Reihe und wurde somit für Abgeordnete persönlich unwählbar.


Vertreter*innen: Johannes Kahrs (SPD) schrieb auf Twitter: “Wir Sozialdemokraten wählen doch keine Rechtsextreme zur Vizepräsidentin. Absurd.” und bezog sich dabei direkt auf Frau Harder-Kühnel, anstatt auf die Partei AfD. Michel Brandt (Die Linke) begründete seine Gegenstimme zu Herrn Otten mit dem Auftritt bei Pegida in Chemnitz.



Entgegen der Behauptung, die wiederholten Gegenstimmen seien undemokratisch, hat jede*r Abgeordnete des Deutschen Bundestages also das Recht, sich gegen den/die Kandidat*in der rechtspopulistischen AfD auszusprechen. Und sogar verschiedene gute Gründe dafür.