Bedrohte Grundrechte
Rechtspopulistische Parolen und Forderungen gefährden unsere Grund- und Menschenrechte. Deshalb müssen wir aktiv werden und mit guten Argumenten das Grundgesetz verteidigen. Mit diesem Leitfaden unterstützen wir dich dabei.
Denn das geht uns alle an: Unsere Grundrechte
Grundrechte, wie sie in den ersten 19 Artikeln unseres Grundgesetzes festgehalten sind, bilden die Basis unserer Gesellschaft. Sie definieren unsere Werte und bestimmen die Rechte, die uns zustehen, weil wir Menschen sind. Dazu zählen im Einzelnen:
- Freiheitsrechte wie Religions- und Meinungsfreiheit garantieren uns Handlungsfreiräume. Sie schützen uns auch davor, dass der Staat uns vorschreibt, was wir glauben, sagen und wie wir leben sollen.
- Gleichheitsrechte garantieren, dass alle Menschen vom Staat gleich behandelt werden.
- Leistungsrechte wie das Recht auf Asyl sichern uns Ansprüche gegen den Staat zu.
Viele Grundrechte, wie die Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Meinungs- und Religionsfreiheit sind so wichtig, dass sie für uns alle gelten, egal welche Staatsangehörigkeit wir haben. In unserem Grundgesetz ist der Bestand dieser Rechte durch die sogenannte Ewigkeitsgarantie geschützt. Diese Garantie verbietet, den Kernbereich der Grundrechte zu verändern. Viele der Grundrechte sind gleichzeitig auch durch internationale Menschenrechtsverträge wie die Europäische Menschenrechtskonvention und die allgemeine Erklärung der Menschenrechte geschützt.
Rechtspopulistische Parolen
Wenn Rechtspopulist*innen gegen Grundrechte vorgehen, dann geht uns das alle an. Denn dann stehen unsere durchs Grundgesetz geschützten, unveräußerlichen Menschenrechte und damit auch unsere Werte auf dem Spiel. Die folgenden rechtspopulistischen Parolen und Forderungen hören wir zum Beispiel immer wieder:
- Die AfD will psychisch kranke Straftäter*innen wegsperren, statt sie zu therapieren, wie sie in ihrem Grundsatzprogramm schreibt.
- Sie hetzt gegen das Zusammenleben verschiedener Kulturen als „Ideologie des Multikulturalismus“, die „den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit“ bedrohe.
- Die Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen bezeichnet die AfD als „Gender-Ideologie“.
- Sie behauptet, “der Islam gehört nicht zu Deutschland” und will Minarette verbieten.
- Das Grundrecht auf Asyl soll abgeschafft werden und durch ein „Gnadenrecht“ ersetzt werden.
Diese Forderungen haben es in sich - und zwar für uns alle. Deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen und ganz konkret zu hinterfragen: was verlierst du dabei?
Die Unantastbarkeit der Menschenwürde
... denn die AfD will nicht, dass sie für alle gilt.
Nach Artikel 1 des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar. Das heißt, dass niemand zum Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf. Die Garantie der Menschenwürde gilt also entweder ganz oder gar nicht.
Daher haben auch Straftäter*innen ein Recht auf menschenwürdige Haftbedingungen. Psychisch kranke, alkohol- oder drogenabhängige Täter einzusperren und ihnen gleichzeitig Therapien vorzuenthalten, wie es die AfD fordert, verstößt daher gegen den Grundsatz der Menschenwürde.
Psychisch kranke Täter*innen in Sicherungsverwahrung zu nehmen, verstößt außerdem gegen das Schuldprinzip, das eine spezielle Ausprägung der Menschenwürde ist. Danach darf nur bestraft werden, wer schuldfähig ist, also wer in der Lage ist, das Unrecht seiner Tat zu verstehen und einzusehen. Psychisch kranke Menschen können das aber nicht immer. Deshalb dürfen sie auch nicht automatisch vollumfänglich bestraft und in Sicherungsverwahrung untergebracht werden.
Das Recht auf freie Entfaltung deiner Persönlichkeit & Privatsphäre
... denn die AfD will uns vorgeben, wie wir leben sollen.
Für Rechtspopulist*innen ist kulturelle Vielfalt eine Bedrohung. Um diese zu reduzieren, will die AfD allen Menschen in Deutschland die “deutsche Kultur” als Leitkultur aufdrücken.
Dass in unserem Land Menschen nach unterschiedlichen Kulturen leben können, ist aber keine „Ideologie“, wie es die AfD behauptet. Es ist ein Grundrecht. Nach welcher Kultur du lebst, also welche Feste du feierst, welches Essen du isst und welche Kleidung du trägst, das ist allein deine Entscheidung. All das ist Teil deiner durch Artikel 2 des Grundgesetzes geschützten Privatsphäre. Das Grundgesetz garantiert dir einen Rückzugsraum, in dem du so leben kannst, wie du möchtest, ohne Rücksicht auf gesellschaftliche oder staatliche Verhaltenserwartungen.
Deshalb kann auch niemand gezwungen werden, nach einer „deutschen Leitkultur“ zu leben. Nirgendwo in unserem Grundgesetz steht etwas von einer „deutschen Leitkultur“. Unsere Leitkultur ist das Grundgesetz und das sichert uns ja gerade zu, dass wir uns aussuchen können, nach welcher Kultur wir leben wollen.
Das Recht auf Gleichberechtigung
... denn die AfD will zurück zu altertümlichen Gesellschaftsstrukturen und -praktiken.
In dem „traditionellen Familienbild“, zu dem sich die AfD bekennt, ist von Gleichberechtigung keine Spur: Der Mann macht Karriere und die Frau führt den Haushalt. Der allgemeine Gleichheitssatz, der in Artikel 3 des Grundgesetzes verankert ist, garantiert aber die uneingeschränkte Gleichberechtigung von Mann und Frau. Jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist demnach verboten. Weiter heißt es: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Die AfD verhöhnt daher dieses Grundrecht, wenn sie gegen die „ideologische Beeinflussung durch das Gender-Mainstreaming“, gegen “geschlechterneutrale Sprache” oder “Geschlechterquoten” hetzt (Grundsatzprogramm S. 54-56). Bei diesen Punkten handelt es sich mitnichten um eine Ideologie. Vielmehr stellen sie praktische Strategien dar, um das Grundrecht auf Gleichbehandlung umzusetzen. Für echte Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen ist deshalb ganz im Sinne unseres Grundgesetzes.
Das Recht auf Religionsfreiheit
... denn die AfD will die Rechte von Muslim*innen einschränken.
Die AfD behauptet zwar, dass sie sich “uneingeschränkt” zur “Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit” bekennt. Doch dabei handelt es sich um ein Lippenbekenntnis. Denn bereits im nächsten Satz ihres Grundsatzprogramms fordert sie, der Religionsfreiheit Schranken zu setzen (S. 48).
Dass keine Religionsgemeinschaft gegen Gesetze und Menschenrechte verstoßen darf, ist auch ohne die AfD klar. Die AfD verlangt aber zusätzlich, dass Religionsgemeinschaften in Einklang mit “unseren Werten” sind. Was auch immer damit gemeint ist, diese Forderung verstößt klar gegen Artikel 4 des Grundgesetzes. Dieser Artikel garantiert uns nämlich allen, das zu glauben, was wir wollen. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass wir nicht glauben müssen, was die AfD will.
Darüber hinaus umfasst das Grundrecht auf Religionsfreiheit auch die sogenannte Religionsausübungsfreiheit, also die Freiheit, seine Religion aktiv zu leben. Wenn die AfD also ein Verbot von Minaretten und des Muezzinrufs fordert und verlangt, dass Imame auf Deutsch predigen müssen, dann ist das mit der Freiheit der Religionsausübung nicht vereinbar. Für den Muezzinruf gelten im übrigen dieselben Regeln wie für das kirchliche Glockenläuten. Das heißt zum Beispiel, dass die Nachtruhe beachtet werden muss. Den Muezzinruf aber per se zu verbieten, weil er nicht zu den „Werten“ der AfD passt, das widerspricht gerade dem Kern der Religionsfreiheit.
Das Recht auf Asyl
... denn die AfD will dieses Grundrecht abschaffen und durch Ausnahmeregelungen ersetzen.
Das Recht auf Asyl, wie es in Artikel 16 unseres Grundgesetzes steht, hat den Rang eines Grundrechtes. Damit bekennt sich die Bundesrepublik zu ihrer historischen Verantwortung: zur Abkehr von Diskriminierung und hin zu Humanität und Menschenrechten. Das ist eine direkte Reaktion auf die politischen Verfolgungen während der Zeit des Nationalsozialismus.
Der Artikel 16a spielt allerdings bei heutigen Asylverfahren kaum mehr eine Rolle. Denn 1993 gab es eine Grundgesetzänderung, den sogenannten „Asylkompromiss“. In diesem wurde festgelegt, dass Menschen, die aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft einreisen, in Deutschland keinen Asylanspruch geltend machen können. Da Deutschland ausschließlich von solchen Staaten umringt ist, wurde Artikel 16a faktisch wirkungslos.
Heute wird die Asylberechtigung stattdessen überwiegend über die § 3 und 4 des Asylgesetzes zugeteilt. Sie setzen die völkerrechtliche Norm der Genfer Flüchtlingskonvention um, nach der allen politisch Verfolgten Asyl zu gewähren ist. Zu dieser Norm bekennen sich heute 147 Staaten dieser Erde – aus gutem Grund: Denn ohne diese Norm gäbe es für Menschen, die aufgrund von Verfolgung und Krieg ihr Heimatland verlassen müssen, keinen Ort, an dem sie Zuflucht finden könnten.
Die Forderung der AfD, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen, ist deshalb doppelt problematisch: Nicht nur geht diese Forderung – zugunsten von plumper Stimmungsmache – an der gesetzlichen Realität vorbei. Sie ist außerdem geschichtsvergessen und rücksichtslos.
Und deshalb: Gemeinsam gegen Rechtspopulismus!
Unser Ziel ist Kleiner 5. Gemeinsam setzen wir uns gegen Rechtspopulismus und für demokratische Teilhabe ein. Die Werte unseres Grundgesetzes sind für uns eine alltägliche Aufforderung, aktiv zu werden. Das ist im Interesse aller. Denn wir glauben daran, dass wir alle selbst entscheiden können, wer wir sind und wie wir sein wollen. Jede Form der gewählten Zugehörigkeit, sei es zu einer Religion, einer Geschlechtsidentität oder einer anderen sozialen Gemeinschaft, muss deshalb gesellschaftlich respektiert und geschützt werden. Niemals aber darf sie vom Staat vorgegeben oder gar erzwungen werden.
Wir unterstützen so viele Menschen wie möglich, sich inhaltlich mit rechtspopulistischen Parolen und Forderungen auseinander zu setzen - mit guten Argumenten und im Sinne unseres Grundgesetzes. Für alle, die mehr (machen) wollen: Hier und hier gibt es noch weitere Informationen und Anregungen. Falls ihr selbst eine Informations- oder Diskussionsveranstaltung zum Thema Grundrechte veranstalten wollt, aber noch etwas Unterstützung dafür braucht, schreibt uns gerne direkt an. Oder ihr schaut mal bei Artikel 1 vorbei, der Initiative für Menschenwürde, die sich für Demokratie und Menschenwürde einsetzt.